Alle Jahre wieder startet pünktlich im Vorfeld zur dmexco Randolfs bereits traditioneller SEO-Contest, bei dem sich die Szene um ein iPhone battelt. Ich betrachte solche Contests inzwischen mit einer gewissen Skepsis, will mal ein paar Gedanken dazu loswerden.
Inhaltsverzeichnis
Der “SEOphonist”-Contest
Das Prinzip ist einfach: zu Beginn des Contests gibt Randolf ein Phantasiekeyword vor, dieses Mal nun “SEOphonist”. Gewonnen hat, wer zum Stichpunkt auf dem legendären OMClub (den ich leider dieses Jahr zum ersten Mal nicht besuchen kann) auf Platz 1 steht (gibt noch ein paar Ausnahmen wie die Contest-Seite, Universal Search etc.). That’s it.
SEO-Contests
SEO-Contests waren ursprünglich eigentlich keine nationalen Meisterschaften unter ambitionierten Suchmaschinenoptimierern, sondern vielmehr öffentliche Experimente zum besseren Verständnis für die Funktionsweise von Suchmaschinen. Diese waren damals ungefähr so gut erforscht wie die Rückseite des Mondes. Aus heutiger Sicht würden sich die damals z. T. kursierenden “Tipps & Tricks” ein wenig wie Esoterik für Nerds anhören.
Experimente wie “Schnitzelmitkartoffelsalat” (2002) oder Wettbewerbe wie “Hommingberger Gepardenforelle” (2005) waren also noch echte Feldforschung. Gleichzeitig waren die Algorithmen der Suchmaschinen noch vergleichsweise einfach gestrickt, so dass Rückschlüsse auf einzelne Maßnahmen noch wesentlich einfacher waren. Umfangreiche Studien über mögliche Rankingfaktoren von Suchmaschinen gab es seinerzeit noch nicht, so dass solche Wettbewerbe zahlreiche Erkenntnisse liefern konnten.
Und bereits damals war den Initiatoren klar, dass dies am Besten mit einem Phantasiekeyword funktionieren würde, um möglichst viele Störfaktoren ausschließen zu können.
Heute sind solche Erkenntnisse kaum mehr sinnvoll möglich, es geht mehr um ein Kräftemessen untereinander und natürlich eine Menge Spaß. Klar, und natürlich um einen Preis.
And the winner is – Google!
Google? Der Gewinner? Bei einem SEO-Contest? Wohl ja!
Für neue Erkenntnisse über Google-Algorithmen taugen sie inzwischen nur noch am Rande. Mit ein paar wenigen Ausnahmen:
im letzten Jahr wurden bei diesem Contest auch einige Negative-SEO-Maßnahmen eingesetzt (DDoS etc.) und zeigten tatsächlich, dass solche Methoden gezielt funktionieren. Das war moralisch absolute Güllegrube, der Erkenntnisgewinn war aber durchaus wertvoll. Hier ging es um ein blödes Handy, für andere könnte es die Existenz sein. Ja, möglicherweise hat diese Erkenntnis für mehr Bewusstsein für diese Gefahren gesorgt. Zumindest bei mir hat es das und ich hoffe dein Weihnachtsgeschäft ist sicher. Ehrlich. In fairem Wettbewerb.
Foto: Rainer Zenz/Wikimedia Commons
Während solche Contests – bis eben auf wenige Ausnahmen – für kaum noch neuen Erkenntnisgewinn sorgen, sind sie für Google eine wahre Fundgrube.
Naturgemäß nehmen an einem SEO-Contest praktisch ausschließlich SEOs teil. Also genau der Personenkreis, der permanent nach Schwachstellen im Google-Algorithmus sucht, und diese anschließend konsequent bearbeitet.
Nun dürfen wir uns SEOs nicht wichtiger nehmen als wir sind. Wir sind nicht wichtig. Nicht für Google. Aber das was wir mitunter tun, das ist sehr wohl von Relevanz für den Suchmaschinenriesen. Nur sind die Manipulationsversuche im realen Umfeld auch für Google nicht immer ganz so einfach von organischen Entwicklungen zu trennen. Für Google ein echtes Problem, dem Google wiederum mit entsprechenden Taktiken versucht zu begegnen. Die pauschale Blaue-Briefe-Wellen in jüngster Zeit und Anfang des Jahres sind solche Maßnahmen und setzen v. A. auf den Faktor Angst. Getroffene Hunde bellen, der Nebel lichtet sich weil viele die Nerven verlieren. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern nüchtern angewandte Psychologie. Schlau und legitim.
Bei SEO-Contests sieht das anders aus: hier kann Google praktisch alle Teilnehmer auch persönlich identifizieren sowie sämtliche Maßnahmen nahezu störungsfrei analysieren. Zudem kann Google hier (bis auf Aktivitäten innerhalb des “Sumpfes”) ziemlich sicher davon ausgehen, dass nahezu keine organischen Signale entstehen werden. Ausgewiefte Profis wissen freilich, dass sie bei Contests nicht ihr ganzes Schießpulver verfeuern, schon allein um andere nicht schlauer zu machen als nötig. Es gibt aber genügend Teilnehmer, die hier weniger vorsichtig vorgehen und alles rausblasen, was nur irgendwie zur Verfügung steht, inkl. mühsam und teilweise über Jahre aufgebautes Know-How, bewährte Linkquellen und -netzwerke. Auch solche, die möglicherweise du für deinen Linkaufbau verwendest. Wäre ich Google, ich würde jeden Monat einen neuen SEO-Contest veranstalten 😉
Beträchte man SEOs als Hacker, so sind deren Contests wertvolle Grundlagen für Patches um die Lücken im System zu schließen.
Doch nicht nur als Erkenntnisgewinn über die Arbeitsweisen von SEOs taugen Wettbewerbe wie “Zanox ist geil”, “Befreiphone” oder eben “SEOphonist” für Google. Mindestens genauso spannend sind sie, um Googles Vernebelungstaktik konsequent weiter zu betreiben. Verunsicherung ist ein wichtiger Bestandteil im Kampf Googles gegen unerwünschte Manipulationsversuche.
Es ist kein großes Geheimnis, dass Google Inhalte und Keywords clustert, kategorisiert oder wie ihr das auch immer nennen mögt. Sprich: Google weiß natürlich um die individuell relevanten Signale von bestimmten Themen bis hin auf Keywordebene (konkret: ein Penisbruch zieht z. B. wohl eher weniger Social Signals an, als ein peinliches Video von Miley Cyrus).
Google passt seinen Algorithmus also flexibel und individuell den passenden Themen an, warum sollten sie es also auch nicht für SEO-Contests tun? Während zu Beginn Google den Begriff “SEOphonist” also noch nicht zuordnen kann, gar eine Nähe zum Keyword “Saxophonist” erkennt mit entsprechendem Rechtschreibkorrekturvorschlag und hier anschließend – nach der Erkennung einer plötzlichen Zunahme von Inhalten und Suchanfragen – vermutlich ein stark News-orientierter Algorithmus zum Zuge kommt, wird dieser anschließend relativ zügig – zumindest manuell – einer SEO-Themen-nahen Kategorie/Cluster/Whatever oder vermutlich konsequent eine Einordnung als SEO-Contest vorgenommen.
Nicht weil dies für Google eine für den User relevante Kategorie darstellt, sondern weil Google hier eine klare Chance erkennt: die Unbekannten, mit denen SEOs arbeiten müssen, zu bestätigen oder zu verwerfen – ganz nach Belieben. Wichtige, in Teilen entdeckte Rankingfaktoren, könnten so plötzlich unwirksam werden; als wichtig angenommene – aber doch nicht sooo relevante – Faktoren könnte man in der Wertung beispielsweise heben. Oder auch anders herum. Nebel hat nur ein Ziel: die Verschleierung der Realität. Das Ergebnis wäre ein Tohuwabohu, wie es zuletzt vermutlich nur der Turmbau zu Babel geschafft hat. Gleichzeitig ließen sich die politisch gewollten Faktoren (guter Content…) heben, dabei gleichzeitig aber aktuelle Themen wie WDF*IDF in die Irrelevanz führen. Selbst eine manuelle Positionierung der Top 10 ist nicht auszuschließen mit dem Ziel einen erwünschten SEO in einer Folge als Vorbildfunktion gut ranken zu lassen.
Wäre ich Google, ich würde für das Keyword “SEOphonist” den schlechtesten verfügbaren Algorithmus anwenden 😉
Ergo: traue nicht den Ergebnissen, die Google zu dem OMClub-Contest liefert!
tl;dr
- Du willst am “SEOphonist”-Contest teilnehmen, weil du einfach nur Spaß an der Sache hast?
- Tu es!
- Du optimierst auf “SEOphonist”, weil du ein iPhone gewinnen willst?
- Mach es, aber bitte mit Bedacht und im Bewusstsein der Konsequenzen!
- Du beobachtest den Contest, weil du dir neue Erkenntnisse erhoffst oder weil du deine daily-business-Methoden in einem Wettbewerbsumfeld testen willst?
- Vergiss es!
- Du willst deine Special Moves weder Google, noch deinen Wettbewerbern offenlegen?
- Lass es sein du Narr!
- Du willst Karl die Keyworddichte versauen?
- Schreib einen Text mit möglichst viel “BLÖRDSCH”, “Blördsch” und “blördsch” 🙂
- Mein Tipp?
- Karl gewinnt. Aus Gründen.